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Ist eine Südumfahrung wirklich geeignet, die Brettener Verkehrs­problematik zu lösen?

Die Bürgerinitiative Verkehrsentlastung Bretten hat sich zur Aufgabe gemacht, für die aktuell bestehenden Verkehrsbelastungen in Bretten zeitnahe Lösungsansätze zu entwickeln und in der Öffentlichkeit zu diskutieren.

Durch den Zusammenschluss mit der BI Zukunft Rinklingen, Vertretern der Stadtgebiete Steinerpfad, Salzhofen und St. Johann, sowie den Akteuren Initiative gegen die Ortsumfahrung von vor 10 Jahren, konnten innerhalb weniger Tage nahezu 50 Interessenten vereinigt werden.

Homepage der Bürgerinitiative Verkehrsentlastung Bretten

Autofixierte Mehrheit verhindert zeitnahe Entlastung der Kernstadt

Beitrag Brettener Woche (02.08.07.2017)

Die Uhren schienen im Brettener Gemeinderat rückwärts zu laufen in der Debatte um eine sachgerechte Entlastung der Kernstadt vom Autoverkehr. Eine große Mehrheit des Rates befürwortete einen Bittbrief an den Landesverkehrsminister, eine B 294 – Umgehung für Bretten möglichst vorne auf der Projektliste des Landes zu platzieren. So weit, so gut – dieses Ergebnis war zu erwarten, obwohl der Durchgangsverkehr gerade mal 20 % des Verkehrsaufkommens auf der Wilhelmstraße ausmacht und eine Umgehungsstraße erst irgendwann in den nächsten 20 Jahren gebaut wird.

Umso wichtiger war es für uns GRÜNE, den Ziel-, Quell- und Binnenverkehr, mit 80 % die Hauptmenge des Brettener Stadtverkehrs (rund 50.000 Kfz/Tag), in den Focus zu nehmen und damit eine zeitnähere Entlastung hinzubekommen. Deshalb stellten wir einen Zusatzantrag, ein „Gesamtkonzept zur Entlastung der Kernstadt vom Ziel-, Quell-, Binnen- und Durchgangsverkehr“ zu erarbeiten. Einer autovernarrten Mehrheit aus CDU, aktiven und FWV gingen solche Entlastungsüberlegungen massiv gegen den Strich – eine absurde Diskussion nahm ihren Lauf. Dabei bezeichnete Bürgermeister Nöltner – gefangen im Autoblickwinkel – den Ziel-, Quell- und Binnenverkehr als praktisch unbeeinflussbar, obwohl er es als passionierter Radfahrer eigentlich besser wissen müsste. Auch andere Diskutanten fanden nicht aus ihrem autogeprägten Weltbild heraus. Eine Stadträtin konnte sich eine Stadt mit dominierendem Radverkehr „überhaupt nicht als attraktiv vorstellen“ (!). OB Wolff wurde die abstruse Diskussion schon früh zu bunt. Er mahnte, Bretten brauche ein solches Gesamtentlastungskonzept sehr wohl, das stehe überhaupt nicht im Widerspruch zum Brief nach Stuttgart. Er stimmte deshalb für unseren Antrag, der leider mit 11:13 Stimmen abgelehnt wurde.

Was hilft jetzt weiter? Wir GRÜNE werden den Antrag auf ein Gesamtentlastungskonzept – jetzt als eigenständigen Antrag – erneut stellen, wir lassen nicht locker. Helfen können dabei alle Brettenerinnen und Brettener, die eine Stadt mit weniger Autoverkehr als eine lebenswertere Alternative sehen. Helfen kann auch ein Satz von Albert Einstein: „Probleme kann man nie mit der selben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.“

Erheben Sie deshalb Ihre Stimme, arbeiten Sie mit in der Bürgerinitiative Verkehrsentlastung Bretten und winken Sie den widerstrebenden GemeinderatskollegInnen freundlich vom Fahrrad herunter zu! Wir schaffen das!

"CDU ist zur Zusammenarbeit eingeladen"

Die Grünen-Fraktion im Gemeinderat hat anlässlich des mit großer Mehrheit beschlossenen Bittbriefs an den Landesverkehrsminister, eine B 294-Umgehung in der Landes-Projektliste hoch zu priorisieren, ein umfassendes Konzept zur Entlastung der Kernstadt vom Autoverkehr beantragt. Dieser Zusatzantrag wurde vor allem durch die Gegenstimmen der CDU-Fraktion abgelehnt, sodass er mit 11:13 Stimmen knapp scheiterte. Zu diesem Thema stellte Christian Schweizer (Brettener Woche) fünf Fragen an den Fraktionsvorsitzenden Otto Mansdörfer.

  1.  Wie stehen Sie zu dem formulierten Vorwurf der CDU, dieser Antrag auf ein Gesamtentlastungskonzept sei eigentlich nur eine Verhinderungstaktik, um die B294-Umgehung zu verhindern?
    Wir GRÜNE sind eindeutig gegen eine B 294-Umgehung über den Rechberg. Sie kann nur 20% des Verkehrs auf der Wilhelmstraße aufnehmen, bringt also für das Hauptverkehrsaufkommen in Bretten, den Ziel-, Quell- und Binnenverkehr keinerlei Verbesserung. Die CDU denkt rein autoorientiert, aus ihrer Sicht helfen gegen Verkehrsbelastung nur neue Straßen. Wir wollen den Menschen Angebote machen, auch einmal anders von A nach B zu kommen als mit dem Auto und haben dabei viele positive Beispiele eines gelungenen Verkehrsmanagements in anderen Städten vor Augen, die dadurch erheblich an Lebensqualität gewinnen.

  2. Was ist das konkrete Ziel, dass Sie durch die Ausarbeitung dieses Konzepts erreichen wollen?
    Wir wollen die tägliche Autoverkehrsmenge in der Kernstadt (ca. 50.000 Kfz/24h) deutlich reduzieren. Ein Gesamtkonzept zur Entlastung der Kernstadt vom Autoverkehr muss vor allem die nichtmotorisierten Verkehrsarten, den sog. Umweltverbund aus Fußverkehr, Radverkehr und ÖPNV, populär machen und diese Fortbewegungsarten in der Stadt entscheidend erleichtern.

  3. Welche einzelnen Punkte sollte das Konzept ihrer Meinung nach beinhalten?
    Das größte Potential steckt in einer Ausweitung des Radverkehrs, das sagen alle Verkehrsexperten landauf landab. Gehen wir ganz bescheiden ran: 40 % aller Autofahrten sind kürzer als 5 km. Wenn es gelingt, von diesen Kurzstreckenfahrten nur ein Viertel zum Radverkehr herüberzuholen, haben wir in der Kernstadt täglich 5.000 Autofahrten weniger. Die Entwicklung der Pedelecs oder E-Bikes vergrößert dieses Verlagerungspotential noch weiter, vor allem in unserem hügeligen Kraichgau. Wir haben im Gemeinderat ein Radverkehrskonzept beantragt und durchbekommen. Bruchsal ist uns hier voraus - eine sehr interessante Lektüre. Ein Entlastungskonzept bedeutet vor allem Überzeugungsarbeit auf allen denkbaren Kanälen, vorbildliches Vorangehen der Stadtspitze, ein leistungsfähiges und sicheres Radwegenetz und z.B. auch Kommunikation mit den Brettener Betrieben, um die Verlagerungspotentiale unter den Beschäftigten bei ihren täglichen Wegen zur Arbeit auszuloten. Mit dem Rad zur Arbeit zu fahren - wo dies möglich ist - erspart das abendliche Fitnessstudio und schenkt Freizeit. Das Wegenetz hierzu bereitzustellen, ist Aufgabe der Stadt. Hilfreich wäre sicher auch eine Mitnahmemöglichkeit von Rädern in den Brettener Bussen. Dies würde eine "halbe" Fahrradnutzung erlauben (ein Weg mit dem Rad, Rückweg mit dem Bus). Unsere Buslinien müssen abends deutlich länger verkehren. Die Botschaft "Ich komme abends mit dem Bus nicht mehr heim" höre ich oft. Straßenbau will ich nicht ganz ausschließen - ich denke an den Direktanschluss der L 1103 an die B 35, aber eine untaugliche B 294-Umgehung ist in unserem Konzept sicher nicht enthalten.


  4. Es wurde Ihnen ja auch vorgeworfen, das Konzept wolle den Autoverkehr komplett aus der Innenstadt verbannen. Müsste man nicht eher für eine vernünftige Lenkung der Verkehrsströme sorgen? Schadet ein Aussperren der Autos nicht auch dem Handel in der Innenstadt?
    Ich denke es ist deutlich geworden, dass es überhaupt nicht darum geht, Autos irgendwo auszusperren oder Autoverkehr zu verbieten. Es geht vielmehr darum, von der ausschließlichen Autonutzung für alle Wege, die man täglich zurücklegt, runterzukommen. Wenn wir einen solchen Prozess in Gang kriegen, wird er sich nach einiger Zeit selbst verstärken, weil die Brettenerinnen und Brettener Erfahrungen mit einer autoärmeren Stadt machen und dies positiv erleben werden. Nochmal: Wir wollen keine Autos irgendwo aussperren, sondern mit attraktiven alternativen Verkehrsangeboten Verhaltensänderungen bewirken. Hier liegt der Schlüssel. Der Innenstadthandel muss sich gar keine Sorgen machen. Alles bleibt zugänglich wie jetzt auch. Aber - Fahrradkunden kommen direkt vors Geschäft, rennen nicht weg, weil ihr Parkticket abläuft und kaufen verstärkt lokal ein. Die Kunst besteht darin, ein positives Fahrradklima aufzubauen. Dazu müssen alle mithelfen, die Stadtpolitik, der Einzelhandel, die Marktplatz-Gastronomie und andere mehr.

  5. Die CDU hatte in einer der zurückliegenden Gemeinderatssitzungen ebenfalls einen Antrag auf die Erstellung eines Gesamtverkehrskonzeptes eingebracht, damals als Reaktion auf Ihren Antrag zum Radverkehrskonzept. Dieser wurde, unter anderem von den Grünen, abgelehnt? Warum?
    Man muss die CDU an ihren Taten messen. Wir erleben die CDU in der Gemeinderatsarbeit so, dass sie jeden Fußbreit für den Autoverkehr mit Zähnen und Klauen verteidigt, Rad- und Fußverkehr eher für Spielkram hält und den ÖPNV als eine Einrichtung sieht für Leute, die sich kein Auto leisten können. Wir haben uns zurückliegend immer wieder mal mit den Kollegen von der CDU über ihre Vorstellungen unterhalten. Dabei fiel nie das Wort Verkehrsentlastung (es sei denn im Zusammenhang mit der Umgehungsstraße). Eine Zustimmung zum CDU-Änderungsantrag "Gesamtverkehrskonzept" beim Radkonzept hätte deshalb bedeutet, dass das angestrebte Radverkehrskonzept dann im automobilen "Gesamtkonzert" untergegangen wäre. Wie die Debatte am vergangenen Dienstag zeigte, fällt es den Kolleginnen und Kollegen der CDU äußerst schwer, über die Welt des Autos hinauszudenken. Mit einer solchen Grundhaltung kann man aber heute keine sinnvolle Stadtentwicklung betreiben. Sollte die CDU neue Vorstellungen entwickeln und eine Reduzierung des Autoverkehrs im obigen Sinne als sinnvolles Ziel akzeptieren, würde uns das sehr freuen und eine wirkliche Zusammenarbeit im Gemeinderat ermöglichen.

 

vgl. auch den Beitrag im Amtsblatt vom 02.08.17 zu dem selben Thema

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